Freitag, 24. April 2009
Diskriminierende Diagnosen
Vorhin wieder ein Zugang.
Auf den berühmten postkartengroßen Einweisungszettel hat der Hausarzt ein paar Diagnosen gekritzelt:
An zweiter Stelle steht "Adipositas per magna".
Na gut... die Dame ist ein wenig mollig... BMI vielleicht knapp über dreißig (womit die medizinische Definition von "Adipositas" - ab BMI 30 - so gerade erfüllt ist). Jeder sieht, dass sie mollig ist. Man muss kein Arzt sein um das "diagnostizieren" zu können.
Warum also die Diagnose? Und warum das nachgestellte "per magna"?
An dritter Stelle steht übrigens "Nikotinabusus".
Daß Rauchen ungesund ist, wissen wir alle und Medizynicus hat sich in diesem Blog schon mehrfach als militanter Nichtraucher geoutet.
Aber ist Rauchen eine Krankheit?
Oder könnte es vielleicht sein, dass da irgendwer einfach nur mit dem Zeigefinger wedelt?

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kolläg, das kennst doch aus der klinik: alles wird verschlüsselt. icd pipapo drg usw. -- ist draussen nicht anders. vermutlich hat der niedergesetzte einfach seinen diagnosenschlüssel bedient.
oder die erstdiagnose leitet sich aus 2. und 3. ab und der dokter wollte nur zeigen, dass er sich gedanken macht. also diabetes/khk/hypertonus usw. bei adipositas p.m. und nikotinabusus.

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na ja, es war ja auch eigentlich nur das "per magna", was mich gestört hat bei BMI von 30,1 - Eine "Adipositas per Magna" fängt bei mir bei BMI 40 und drüber an (knapp 50 hatten wir hier auch schon gehabt)!

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per magna ist noch harmlos
In meiner Studienzeit verdiente ich unter anderem damit meinen Unterhalt, in dem ich Krankenhausakten der Frauenklinik, Entbindungstation vom Papierakte auf Microfiche übertrug. Dabei fielen einem natürlich immer mal Schlagwörter ins Auge. Bei einer Mutter stand dabei: Monströse Adipositas.

Das Wort werde ich nie vergessen, da bin ja dankbar über jedes "nur per magna".

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ja das stimmt, früher war man da noch etwas drastischer, hab ich auch schon in alten Arztbriefen oder von älteren Kollgen gesehen. Heutzutage verschanzt man sich mehr hinter Lateinismen und Pseudo-Fachtermini...

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vielleicht war sich der Hausarzt mit der ersten Diagnose nicht ganz sicher (im Sinne von, dass das die Einweisung rechtfertigt) und wollte unterstreichen, dass die Patienten "wirklich" behandlungsbedürftig ist ?

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Also bei einem BMI von knapp über 30 von "per magna" zu sprechen finde ich auch etwas übertrieben. Was ich aber viel schlimmer finde ist die Tatsache das man wirklich alles in Fachbegriffen ausdrücken muss. Es ist ja vielerorts so das auch der Patient eine Kopie des Arztbriefes ausgehändigt bekommt für seine "Akten". Ich hab neulich dann irgendwo gelesen das eine Patientin eben jenes böse böse Wort mit A in ihrem Brief las und sich dann große Sorgen darüber macht was für eine schlimmer Erkrankung bei ihr wohl festgestellt wurde von der sie so garnichts weiß.

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@patientpatient: Nee, die erste Diagnose war schon eine "richtige", welche eine Einweisung eindeutig rechtfertigte. Die "Nebendiagnosen" lieferten eigentlich keine echten Zusatzinformationen. Grund war wohl wirklich, wie Kinderdok richtig bemerkt, dass eben alles verschlüsselt sein muss und eben so im Praxiscomputer drin stand.

@Krankeschwester: Richtig, aber genau das hat ja System. Teil der ärztlichen lateinisierten Pseudo-Geheimsprache ist ja, dass es genau darum geht, dass der Patient einen nicht verstehen soll (Darum redet man ja intern auch nur von einem "Adi-Patienten", analog zu dem berühmt-berüchtigten "C2"...)

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da kann man nur froh sein wenn man "insider" ist. *seufz* wenigstens verstehe ich (meistens *g*) was der Arzt meines Vertrauens von mir will. Auch wenn ich mich immer wieder drüber aufrege, aber jeder Berufszweig hat so seine Geheimsprache. Hab ich neulich wieder schmerzlich feststellen müssen beim Telefonat mit dem DSL Proovider meiner Oma *doppelseufz*

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Hm...also, wenn ich einen Arztbrief kriege, gehts an den Computer und dann guck ich jedes Wort, dass ich nicht verstehe, nach. Klappt auch ganz gut. Niedlich finde ich, wenn Ärzte einen im Vorfeld schon mal ans Internet verweisen - zum nachgucken und informieren. A propro Internet: eine Bekannte von mir macht es umgekehrt: sie schaut sich zu der Krankheit, die sie meint zu haben, die Symptome an, und erzählt die dann später dem Arzt. Fand ich auch irgendwie gut.

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Da gibts doch ne offizielle Bezeichung für .... *denk* Cyberchonder.

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äh...ich oder meine Bekannte? dings...chonder?

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na deine bekannte. Die Mitmenschen die wenn sie nen Pickel am Popo haben direkt diverse Suchmaschinen bemühen und dann mit der festen Überzeugung sie haben Erkrankung XYZ ( am besten eine ganz selten) die Praxis ihres Hausarztes stürmen.

*edit* Der Rechtschreibteufel schlug zu :)

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ach so... - neeee, dass macht sie nicht, sie hat dann schon was. Nur "füllt" sie ihre Beschwerden etwas auf.

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cyberchonder?
echt witzig, den Ausdruck kannte ich noch nicht!
Das Krankheitsbild hingegen schon ... seufz...
Das ist ne eigene Geschichte wert!

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Ja hab ich neulich nen Artikel gelesen in irgendner Tageszeitung Online. Wird zur Volkskrankheit genauso wie der SMS-Daumen.

Da ist er. Falls links nicht erwünscht sind einfach löschen ;-)

http://www.welt.de/wissenschaft/medizin/article2790000/Cyberchonder-googlen-sich-kranker-als-sie-sind.html

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Stimmt schon...bloß Ärzte fordern den Patienten auf, sich im Internet schlau zu machen.....

Ist aber wohl auch ne Folge vom PP (PatientenPingPong, d.h. wenn Patienten von einem Arzt zum anderen geschickt werden). Das macht dann unsicher und das Netz haben eben alle vor der Nase.

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