Dienstag, 19. Mai 2009
und schon wieder Gewissensbisse... (3. Teil der Geschichte von der Nachbarin)
Da sitze ich nun wieder mit einer Flasche Bier am Balkon und denke nach.
In der Nachbarwohnung höre ich die Nachbarin werkeln.
Ob sie ihre Pillen bekommen hat?
Ich weiss jetzt, wer ihr Hausarzt ist.
Heute früh habe ich - eher aus Zufall - mit ihm telefoniert. Es ging um einen ganz anderen Patienten.
Hätte ich ihm etwas von der Sache sagen sollen?
Hätte ich das überhaupt gedurft?
Ob ich ihn morgen noch einmal anrufen sollte?
zum Anfang der Geschichte
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Gute Frage(n)...
keine Ahnung was man da machen sollte. Wie sieht es eigentich aus mit der Schweigepflicht zwischen dem Hausarzt und einem anderen vom Patienten konsultierten Arzt?

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Ich denke, sie hat Dich konsultiert (wollte ein Rezept), damit bist Du ein sie behandelnder Arzt, auch wenn Deine Behandlung darin bestand, das Rezept zu verweigern (zu recht). Nach meinem Verständnis widerspricht es der Schweigepflicht nicht, sich im Interesse des Patienten mit anderen Ärzten auszutauschen, bin aber kein Jurist. Kann nur sein, dass ihr das nicht gefällt, wenn ihr Hausarzt von ihren Beschaffungsversuchen erfährt. Aber wir müssen im Interesse unserer Patienten handelt, und nicht tun, was ihnen gefällt.
Übrigens ist das, was der Hausarzt macht, auch nicht ohne. Er weiß von ihrem Tablettenmissbrauch und versorgt sie weiter mit ihrem Suchtmittel. Wer weiß, vielleicht hat sie schon erfolglos Entziehungen versucht und die mäßig dosierte Versorgung mit Benzos erscheint als der am wenigsten schädliche Weg. Aber wenn die Frau sich mit ihren Tabletten umbringt, könnte es sein, dass der Kollege unangenehme Fragen beantworten muss.

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unbedingt machen!!! Schon allein deshalb, damit die liebe Dame den Hausarzt nicht mit ihrem (angeblich notfalls verordnenden) KH-Arzt-Nachbarn unter Druck setzen kann.
Schweigepflicht greift hier nicht, wei die Information entweder von behandelndem Arzt zu behandelndem Arzt geht, oder von unbeteiligtem Angehörigen (hier: Nachbarn) an den Arzt geht. Ist sicher gedeckt!

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@ ungebeten: Sie hat mich ja nicht in meiner Eigenschaft als im Krankenhaus angestellter Arzt "konsultiert", sondern als Nachbar und Privatmensch, welcher zufällig approbierter Arzt ist. Von daher habe ich sie ja nicht behandelt (na gut, ich habe, streng genommen eine Art Anamnese erhoben). Wenn ich den Hausarzt fragen würde, ob das denn stimmt, was sie mir erzählt hat, oder ob er ihr wirklich Benzos verschrieben hat, darf er mir streng genommen keine Auskunft geben.
@ Landarsch: Moralisch gesehen - in Bezug auf gesunden Menschenverstand hast Du Recht...

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Sie hat Dich in Deiner Eigenschaft als Arzt konsultiert, denn Arzt bist Du ja auch, wenn Du grad mal nicht im Krankenhaus bist. Du hast eine Anamnese erhoben und Deinen ärztlichen Rat gegeben. Auch wenn Du dann auf eine Liquidation verzichtet hast, bist Du doch ärztlich tätig geworden. Das ist der Grund, warum Du eine Berufshaftpflichtversicherung für gelegentliche, privatärztliche Nebentätigkeiten hast. (Hast Du doch, oder?!)
kelef hat recht, das war eine Konsultation, auch in Deutschland mit allen rechtlichen Konsequenzen. ("Ja, die Brustschmerzen hab ich schon seit gestern und die Atemnot war auch schon ganz schön schlimm. Aber mein Nachbar - der ist auch Arzt! - hat gesagt, das wäre Bronchitis und ich sollte heute mal zum Hausarzt ..." usw.usw.)

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Also wenn es rechtlich nicht gegen die Schweigepflicht verstößt auf jeden Fall was sagen. Wer weiß ob die gute Dame noch irgendwelche Angehörigen oder Freunde hat, und falls ja ob diese überhaupt etwas von der Problematik mitbekommen...

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fragen sie den hausarzt doch einfach, was sie in so einem fall tun sollen mit der patientin, denn eigentlich ist das - zumindest nach österreichischer interpretation - eine konsultation gewesen, und im zweifelsfalle sind die ärzte ja verpflichtet sich untereinander abzustimmen. wie sie das formulieren, bleibt ihnen ja selbst überlassen, und so lange es ausschliesslich um das patientenwohl geht ...

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@ kelef: Interessante Frage... War das eine ärztliche Konsultation? Das heisst: wäre das gegebenenfalls auch eine Sache für meine Haftpflichtversicherung?
Sehr interessante Frage!
Ich denke mal, die einfachste Sache wird der "kleine Dienstweg" sein: Sollte mir der Hausarzt in der nächsten Zeit irgendwann einmal über den Weg laufen, werde ich ihm von der Sache erzählen. Ihn aber von mir aus anzurufen.... ich weiss nicht...

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jetzt geht die Geschichte weiter:
Ich komme heute nach Hause und sie fängtmich gleich auf dem Flur ab. Sie war beim Hausarzt und der hat ihr gleich eine N3 (50er Packung) verschrieben. Aber sie hat erfahren, dass es auch grössere Klinikpackungen gibt...
Und Tramadol nimmt sie auch noch, nicht mehr wegen der Schmerzen, sondern "weil sie sich dran gewöhnt hat".
Ist der Hausarzt die Lösung oder Teil des Problems?

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Ich verspüre nicht den Drang hier als Moralinstanz hineinzupfuschen und den Leuten von einem Tag auf den anderen ihr so eingerichtetes Leben zu zerstören, um ihnen durch Quellenentzug irgendwelche Maßnahmen aufzunötigen, die sie gar nicht wollen.
Jemanden zu therapieren, der nicht aufgeschlossen ist, sondern nur von seinem Stoff abgeschnitten wurde, bringt exakt Null. Der findet danach schon wieder eine Quelle und dann geht das Spiel von vorne los.
Schlimmstenfalls landen die Leute statt beim Arzt und in der Apotheke auf der Szene, fälschen Rezepte, bestellen sich was aus dem Internet etc. pp.
Das sind erwachsene Menschen und für sich selbst verantwortlich.
Was bringt es dir als Arzt, jetzt das große Rad zu drehen, das führt doch nur dazu, dass der Abhängige gedemütigt wird, weitere Ärzte nervt oder wie gesagt sonstwie seinen Stoff beschaffen wird.
Wir brauchen eine Legalisierung der Versorgung von Abhängigen bei verbesserten Angeboten für die, die clean leben wollen.
Man hält hier den Deckel auf einem tolerierten Zustand und wälzt die Verantwortung auf Ärzte und Apotheker ab, aber würden die sich nun konsequent alle weigern weiter Benzos an Abhängige zu verordnen, wäre das eine gesundheits- und sozialpolitische Katastrophe, denn es besteht doch gar keine Infrastruktur um 1 Mio. Benzoabhängige zu versorgen (außer eben mit Benzos), der wirtschaftliche Schaden, wenn plötzlich alle in Lohn und Brot stehenden Angestellten auf Entzug müssen, dürfte auch beträchtlich sein.

Im Gegensatz zu z.B. Alkohol entstehen bei Benzos und Opis eigentlich keine gesundheitlichen Folgeschäden und damit Folgekosten, auch kommt eine lebenslange Benzo-Verschreibung schließlich wesentlich billiger als ein einzelner Entzugsaufenthalt.
Das ist so schon alles politisch so gewollt.

Der Hausarzt macht es richtig, er wird sicher versucht haben ihr Therapieangebote zu unterbreiten, doch solange die Frau dazu noch nicht selbst gewillt ist, darf er sie auch nicht auf dem Trocknen sitzen lassen.

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@ knaller: Wenn Du mein Buch gelesen hast, wirst Du sehen, dass ich an das Recht eines Jeden Menschen glaube, für sein eigenes Leben dumme Entscheidungen zu treffen. Allerdings nur dann, wenn dieser Mensch
1.) ausser sich selbst niemanden anders schädigt oder belästigt
2.) Nicht von mir oder irgendwem sonst erwartet auch nur den leisesten Anflug von Verantwortung für sein Tunzu tragen

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Schön. Allerdings war es auch ein Arzt, der der Frau das Zeug verschrieben hat, bis sie abhängig wurde. Damit habe ich kein Problem, wenn der Patient um die Abhängigkeitsgefahr weiß und es trotzdem nimmt, ist das allein seine Sache. Der Arzt hat dann zumindest aber die Verantwortung, den Süchtigen weiter mit Stoff zu versorgen. Der Hausarzt scheint das ja nun wieder gewissenhaft zu erledigen und die Frau nicht mehr auf dich angewiesen zu sein.
Als Arzt musst du dich eben auch mit Fällen herumschlagen, die andere Kollegen verbockt haben. IMHO gibt es da eine Kollektivverantwortung des Berufsstands.
Einem Diabetiker, von dem du weißt, dass der aufs Insulin verzichten könnte wenn er nur abnehmen würde, der von seinem Hausarzt dazu aber nicht ermuntert wird, dem sagst du doch auch nicht, wenn er zu dir kommt, weil ihm das Medikament ausgegangen ist: "Ich verschreibe Ihnen kein Insulin, denn Sie haben nur ein Gewichts-Problem, damit will ich nichts zu tun haben, belästigen Sie mich nicht mit ihrem ungesunden Lebenswandel"!?

Nix für ungut,
Knaller

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@knaller: keine gesundheitlichen folgeschäden nach benzos und opis - das finde ich ja eine mutige aussage, mit verlaub.

@medizynicus: wenn patient zu arzt geht und rezept haben will, dann ist das eine konsultation. was macht arzt wenn patient dann sagt, der arzt hat/hat nicht verschrieben, und jetzt hab ich folge/entzugs/was-weiss-ich-erscheinungen? umgekehrt wäre es ja auch so: wenn arzt privatrezept ausstellt, dann ist er haftbar wenn patient ...

eine weitere möglichkeit wäre es, eine meldung an das bfarm zu schicken, geht auch anonym (wegen der rückfragen). oder sie rufen einfach die dortige drug safety an und fragen wie die behörde das sieht (ist eine österreichische lösung, aber damit bin ich immer gut beraten gewesen). medikamentenmissbrauch ist ebenso meldepflichtig wie neben- oder wechselwirkungen, und bei dem cocktail den die dame sich da zu gemüte führt kommt man sowieso ins grübeln. vielleicht hat sie ja auch nur einfach dummdreist gelogen? nebstbei gehört ein arzt, der derartige medikamente in derartigen mengen so ohne weiteres verschreibt sowieso einmal wieder auf den boden der tatsachen gebracht.

tramadol (tropfen) nehm ich übrigens selber seit jahren manchmal wegen ein paar bandscheibenprotrusionen und arthrosen. zugegebenermassen reagier ich leicht auf derartige substanzen, aber 50 mg führen schon dazu dass ich mich reduziert fühle, mit einem bier oder einem achterl wein dazu bin ich mittelprächtig geistig weggetreten. und die dame hat sich daran gewöhnt - mein lieber scholli.

mündige patienten, wenn ich das schon höre.

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@knaller

es mag sein das ich mich was die prognose betrifft jetzt weit aus dem Fenster lehne aber ich denke man sollte schon unterscheiden zwischen der Verschreibung eines Medikamentes (Benzos und Co.) von dem man psychisch Abhängig ist (ja ich weiß das es auch eine körperliche Abhängigkeit gibt aber darum geht es ja nicht) und bei dessen Nichteinnahme einem "nur" Entzugserscheinungen drohen oder der Verschreibung eines Medikamentes das "lebensnotwendig" ist wie Insulin.

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@kelef
Bei Benzos gibt es nach jahrzehntelanger Einnahme höchstens leichte kognitive Einschränkungen, gewisse Gedächtnisstörungen und verminderte räumliche Orientierungsfähigkeit, alles milde ausgeprägt.
Bei klassischen Opis gibt es tatsächlich gar keine Folgeschäden.

@krankeschwester
Einem Benzoabhängigen drohen ohne Stoff lebensbedrohliche Grand-Mal-Anfälle, einem Diabetiker das diabetische Koma. Wenn die Dame seit Jahren hochdosiert Benzos nimmt, beschränken sich die Entzugserscheinungen nicht auf ein bisschen psychischen Rebound und Craving, das wird dann eindeutig lebensgefährlich.

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@ Knaller: Wenn ein Patient mich als Arzt um Hilfe bzw. Behandlung bittet, dann werde ich das tun, was ich aufgrund meiner Erfahrung, aufgrund meines angelernten und angelesenen Wissens und aufgrund von wissenschaftlichen Erkenntnissen für das Sinnvollste halte.
Im Falle einer Abhängigkeit (egal ob Benzo, Opiate oder Alkohol) ist das eine Entgiftungs- oder Entwöhnungsbehandlung. Die kann ich entweder selbst durchführen, wenn ich mir das zutraue oder den Patienten in die richtige Richtung überweisen.
Die Aufrechterhaltung der Abhängigkeit ist meiner Ansicht nach nicht medizinisch sinnvoll oder wünschenswert.
Es liegt an dem Patienten, meinen Rat anzunehmen oder nicht. Tut er es nicht, dann kann ich dafür allerdings keinerlei Verantwortung übernehmen.
Genausowenig kann ich es verantworten, eine Behandlung in die Wege zu leiten, ich nicht für medizinisch sinnvoll oder gar gefährlich halte.
Nehmen wir ein anderes Beispiel:
Einem Patienten mit einer akuten Lugenentzündung würde ich ein Antibiotikum verschreiben.
Wenn der Patient das nicht einnehmen möchte und stattdessen auf getrockneten Kamelmist schwört, dann ist das seine Sache. Ich werde ihm aber deswegen trotzdem keinen getrockneten Kamelmist verschreiben.
Sollte er sich bei irgendeinem Kurpfuscher getrockneten Kamelmist besorgen und an der Lungenentzündung sterben, dann habe ich mit der Sache nichts zu tun.

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