Samstag, 23. Mai 2009
Die Sache mit der Nachbarin (Teil 4)
Die Sache geht in die nächste Runde.

Gestern Nachmittag habe ich mit dem Hausarzt telefoniert. Eigentlich ging es um einen anderen Patienten, aber dann... beschließe ich doch, ihn auf die Sache anzusprechen, schließlich habe ich mir längst schon viel zu viele Gedanken darüber gemacht um da alles jetzt auf sich beruhen zu lassen.

Ich druckse ein wenig herum.

"...da wäre noch etwas. Meine Nachbarin..."

"...Ach, Sie meinen die Frau X.? Ja, die hat mir schon von Ihnen erzählt."

"Sie hat versucht, abhängig machende Beruhigungsmittel, Benozdiazepine von mir zu bekommen."

"Weiß ich."

"Ich habe ihr selbstverständlich keine gebeben."

"Weiß ich doch."

"Ich vermute, sie ist abhängig."

"Aber natürlich. Schon seit über zwanzig Jahren."

"Und... könnte man vielleicht... ich meine, haben Sie sie schon einmal auf einen Entzug angesprochen?"

"Selbstverständlich."

"Und?"

"Will sie nicht."

"Und was machen Sie?"

"Ich verschreibe ihr die Tabletten. Schon seit über zehn Jahren."

"Aber sie versucht, noch mehr zu bekommen..."

"Weiß ich. Angeblich Rezept verloren, Tabletten gestohlen, Anrufe aus der Apotheke oder nachts im Notdienst... alles schon gehabt."

"Und Sie spielen mit?"

"Nachts oder an Wochenenden lasse ich mich von ihr nicht mehr herausklingeln. Das weiß sie inzwischen. Aber wenn sie zu mir in die Sprechstunde kommt, verschreibe ich ihr, was sie braucht."

"Und Sie haben nicht versucht, die Menge zu begrenzen und vielleicht langsam zu reduzieren?"

"Das funktioniert bei der nicht."

"Haben sie es denn noch nie versucht?"

"Warum sollte ich? Wenn ich das tu, dann geht sie zu dem nächsten Kollegen nebenan. Dann bin ich die Patientin los. Und dann spricht sie vielleicht noch böse über mich und ich verliere noch mehrere Patienten. Also gebe ich ihr, was sie will. Auch wenn ich weiß, daß sie abhängig ist."

Der Hausarzt bedankt sich und legt auf. Und ich bin einen Moment lang wieder einmal ziemlich durcheinander.
zum Anfang der Geschichte
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Jeder (auch jeder Arzt) muss sehen wie er zurecht kommt. Patienten zu verlieren hat finanzielle Auswirkung und in dem Fall ist der Arzt auch Geschäftsmann. Wie sich das allerdings mit dem Gewissen und dem morgendlichen Blick in den Spiegel vereinbaren lässt ist die andere Frage. Ich könnte so nicht arbeiten.

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Na das ist ja toll. Er macht es sich ziemlich leicht mit der Einstellung ... und ich könnte wetten, dass deine Nachbarin nicht die einzige ist, die das weiss und ausnutzt.

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immerhin behält er so die kontrolle über die frau. schließlich versucht sie ja schon überall, an weiteren stoff zu kommen. der hausdoc fährt eben ein kleines methadonprogramm.

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Na ja, mit der Kontrolle ist das so eine Sache:
Von mir hat sie keinen Stoff bekommen - aber wer weiß, wo sie es sonst noch probiert hat und wo sie vielleicht erfolgreich gewesen sein mag. Ich habe jedenfalls ein komisches Gefühl:
Meiner Ansicht nach sind in so einem Fall klare Absprachen wichtig: Vereinbarung einer Maximaldosis, und keine weiteren Beschaffungsversuche, Ansonsten Abbruch der Behandlung.
So würde ich es tun, und für alles, was die Patientin anschließend unternimmt, bin ich nicht mehr verantwortlich. Dann habe ich halt eine Patientin verloren und kann mich mit voller Kraft den verbliebenen Patienten widmen.

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Ich finde es gut, dass es noch solche Ärzte wie diesen gibt. Was soll der gute Mann auch sonst tun? Seine Vorgehensweise ist das Beste für alle Beteiligten.
Finde es auch sehr mutig von ihm, so ehrlich zu dir zu sein und seinen Standpunkt so zu vertreten.
Das sind noch idealistische Ärzte der alten Schule, die nicht versuchen Weltverbesserer zu spielen oder sich peinlich genau an die Regeln zu halten, wodurch doch nur Menschen ins Elend gestürzt werden würden.

20 Jahre auf Benzos, wahrscheinlich ebenso lange polytox und kein Leidensdruck, um clean sein zu wollen - die Prämisse Entzug um jeden Preis ist da doch eindeutig reine politische Ideologie, ohne sich medizinisch begründen zu lassen, oder wie siehst du das?

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@ knaller

Du findest es gut das es noch Ärzte gibt die einen Patienten mit vollem Wissen in einer künstlichen Abhängigkeit halten nur um sie als "zahlenden Kunden" nicht zu verlieren?

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Nein, ich finde es gut, dass es Ärzte gibt, die den Willen des Patienten respektieren und ihn versorgen, statt auf die Straße zu werfen, wo er seine Drogen im kriminellen Milieu zu Wucherpreisen kaufen muss, dadurch selbst kriminell wird, womöglich noch der Beschaffungskriminalität oder Prostitution nachgehen muss und jedem medizinischen Zugang entzogen lebt.

Wenn der Arzt an den paar Besuchen im Quartal was verdient und die Kasse auch noch die Benzos zahlt, kommt das die Gesellschaft immer noch _wesentlich_ günstiger als alle Alternativen.

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Nein, ich finde es gut, dass es Ärzte gibt, die den Willen des Patienten respektieren und ihn versorgen, statt auf die Straße zu werfen, wo er seine Drogen im kriminellen Milieu zu Wucherpreisen kaufen muss, dadurch selbst kriminell wird, womöglich noch der Beschaffungskriminalität oder Prostitution nachgehen muss und jedem medizinischen Zugang entzogen lebt.

Wenn der Arzt an den paar Besuchen im Quartal was verdient und die Kasse auch noch die Benzos zahlt, kommt das die Gesellschaft immer noch _wesentlich_ günstiger als alle Alternativen.

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Tja, da müsste man erstmal rausfinden was denn der "Wille" der Patientin ist, und ob sie überhaupt wirklich weiß und verstehen kann das sie krank ist.
Und ob es nicht vielleicht auch "günstiger für die Allgemeinheit" (ich mag diese Argumentation nicht aber aber du hast damit angefangen) wäre eine Entzugstherapie zu zahlen statt bis an ihr Lebensende die Benzo's finanziert zu bekommen ist eine andere Sache...

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