Donnerstag, 4. Juni 2009
Schlechte Nachrichten (Teil 2) - Was sonst noch falsch laufen kann
Sechzehn Uhr fünfzehn. Eigentlich bald Feierabend. Und man hat noch Verschiedenes zu erledigen... und dann tauchen diese Angehörigen auf. "Wir müssen unbedingt mit dem Arzt sprechen. Es ist wichtig. und dringend."
Schwester schiebt die Gruppe von vier Leuten ins Arztzimmer. Ohne Vorwarnung. Ohne Anklopfen. Medizynicus räumt schnell alle Patientenunterlagen zusammen, wegen Schweigepflicht und so, deenn der eine von den Angehörigen schielt mit einem Auge auf das Krankenblatt, welches Medizynicus gerade in Arbeit hatte, welches den betreffenden Angehörigen aber nix angeht.
"Es geht um Herrn Schulte..." sagt ein Endfünfziger mit Schnauzbart und schütterem Haar.
Medizynicus kratzt sich am Kopf. Wer war nochmal Herr Schulte?
Schwester klopft an und bringt die Akte rein.
Ach ja. Herr Schulte. Kolonkarzinom. Inoperabel. Metastasen. Aber angesichts der schlechten Prognose geht es ihm verhältnismäßig gut. Er hat es mit Fassung getragen, als ich ihm die Diagnose heute früh bei Visite mitteilen mußte.
Geistig ist er jedenfalls voll dabei.
"Was hat unser Opa denn?" fragt eine von den Angehörigen, eine blondierte Mitfünfzigerin.
Medizynicus klappt die Akte zu.
"Gehen wir zu Ihrem Vater aufs Zimmer!"
"Nein!"
"Warum nicht?"
"Wir wollen nicht, daß er etwas davon erfährt!"
"Aha?"
"Sie...."
Die Dame bricht in Tränen aus.
"...steht es schlimm um ihn?"
Eigentlich darf Medizynicus jetzt gar nichts sagen, ohne den Patienten zu fragen. Eigentlich weiß er ja gar nicht wer diese Leute sind. Eigentlich weiß er gar nicht, ob der Patient möchte, daß sie über seine Krankengengeschichte Bescheid wissen.
Aber Medizynicus hat so etwas schließlich schon öfters erlebt. Man kann auch ohne Worte kommunizieren. Medizynicus sagt nichts und schaut die Gruppe nur mit ernstem Gesicht an, seufzt leicht und macht eine Handbewegung. Die Blondierte bricht in Tränen aus.
"Aber Sie dürfen ihm nichts sagen! Gar nichts! Verstehen Sie? Kein Wort dürfen Sie ihm sagen. Das verkraftet er sonst nicht!"
"Entschuldigen Sie, aber heute früh auf Visite..."
Der Schnauzbartträger starrt mich wütend an.
"Sie haben ihm doch nicht etwa irgendwas erzählt?"
Er schlägt mit der Faust auf meinen Schreibtisch.
"Das haben wir Ihnen nicht erlaubt! Das würden wir Ihnen niemals erlauben! Wie konnten Sie nur? Sie sind schuld, wenn er sich jetzt etwas antut! Jawoll, wir gehen jetzt zum Chefarzt, nein zur Verwaltung, komm Else, wir gehen uns beschweren..."
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